Deutscher Jazzpreis 2022: Ernst-Ludwig „Luten“ Petrowsky
Dietmar Schwenger schreibt für die Musikwoche (mediabiz):
Der Deutsche Jazzpreis, der am 27. April 2022 im Metropol Theater in Bremen stattfindet, würdigt den einflussreichen Musiker Ernst-Ludwig Petrowsky für sein Lebenswerk. Den Preis in Empfang nehmen wird vor Ort seine Ehefrau, die Sängerin Uschi Brüning. Der Sonderpreis der Jury geht an das beim Label Rent A Dog von Ulrich Rattay erschienene Album „Music Resistance“ von Sebastian Gramms & Hard Boiled Wonderland, ein Projekt, das die gesellschaftskritische Dimension von Jazzmusik herausarbeitet.
Der Saxophonist, Komponist und Autor Ernst-Ludwig Petrowsky erhält die Lebenswerkauszeichnung für sein herausragendes Wirken. „1957 begann Ernst-Ludwig ‚Luten‘ Petrowsky als Mitglied des Orchesters von Eberhard Weise seine Karriere als Jazzmusiker. Seither hat er wie niemand sonst aus der DDR Marksteine in der internationalen Jazzszene gesetzt. Wenn oft vom sogenannten DDR-Free-Jazz gesprochen wird, ist dieser ohne ihn nicht denkbar“, erklärt der Berliner Journalist und Mitglied der Hauptjury, Ulf Drechsel. „Wesentliches Kernstück seiner musikalischen Aktivitäten war seit 1982 auch die Arbeit mit seiner Ehepartnerin, der Sängerin Uschi Brüning. Gemeinsam lotete das Duo mit viel Hingabe, Fantasie und Humor die klanglichen Möglichkeiten im Spannungsfeld zwischen klassischen Jazz-Songs und freier Improvisation aus und prägten als Special Guests viele musikalische Projekte – von Big Band bis Bluesband. Sein Spiel auf dem Saxophon – mal verhalten-zärtlich, mal expressiv-schrill – bleibt unauslöschlich verwurzelt im Jazz-Kanon der letzten sechs Jahrzehnte.“
Das internationale Musikerkollektiv Hard Boiled Wonderland um Sebastian Gramss formierte sich 2020. Man wolle musikalisch Antworten auf aktuelle politische, soziale und ökologische Fragen geben. „Es ist nicht nur toll, sondern absolut notwendig, dass sich Künstler:innen politischen Themen widmen. Schon immer und gerade jetzt. Hard Boiled Wonderland tut das mit so einer grandiosen Überzeugung, Hingabe und einem sichtlich schonungslosen Mut und Aufwand, dass dieser Preis eine logische Konsequenz ihres Schaffens ist. Ich hoffe sehr, dass wir damit viele Kulturschaffende inspirieren können, sich politisch zu engagieren. Das braucht unsere Welt, um Stück für Stück ein besserer Ort zu werden!“, begründet der Sänger, Songwriter und stellvertretende Sprecher der Hauptjury, Max Mutzke, die Entscheidung.
Bei einer digitalen Pressekonferenz würdigten unter anderem Tina Sikorski (Geschäftsführerin Initiative Musik), Ulf Drechsel (Jury Deutscher Jazzpreis) und Sybille Kornitschky (Projektleiterin jazzahead!) die Preisträger, sprachen aber auch über den Stand der Dinge bei der Preisverleihung, die nach der rein digitalen Premiere 2021 nun erstmals als Präsenzveranstaltung über die Bühne gehen soll. Das Metropol Theater bietet dabei eine Kapazität von 1000 Personen, man rechne aber mit rund 500 Gästen vor Ort, die man dann aus Hygienegründen mit Abstand platzieren wolle, wie Sikorski erklärte. Sie wies zudem darauf hin, dass noch Tickets verfügbar seien.
Arndt Weidler (Jazzinstitut Darmstadt) betonte in seiner Eigenschaft als Beirat des Deutschen Jazzpreises, dass die Preisverleihung in Bremen zwar der Nachfolger des Echo Jazz sei, „aber ganz anders ist“. Zudem habe man die Veranstaltung nach der digitalen Premiere zwar keiner grundsätzlichen Revision unterzogen, aber doch in einigen Punkten wie etwa beim Nominierungsprozess noch verbessern können. So gehe es um Anerkennung und Würdigung der deutschen Jazz-Szene, wobei neben der ideellen Wertschätzung auch der finanzielle Aspekt sehr wichtig sei. So werden erstmals alle Nominierten auch materiell honoriert, nicht nur die jeweiligen Sieger-Acts.
Tina Sikorski freut sich auf eine „weitgehend normale Umsetzung“ der Veranstaltung. „Wir leben zwar noch unter Corona, aber alles ist etwas entspannter als im Vorjahr.“ Sie dankte auch der Stadt Bremen für die finanzielle Unterstützung, was alles andere als selbstverständlich sei. „Das wird ein ganz tolles Event, für die Nominierten und die Gäste.“ Zudem erläuterte sie noch einmal das zweiteilige Konzept des Deutschen Jazzpreises, der aus der eigentlichen Preisverleihung von 18:00 bis 19:30 Uhr und einem Konzertabend mit vier Live-Acts von 20:30 bis 22:00 Uhr besteht.
„Wir haben auf die Kritik vom Vorjahr, dass die Veranstaltung zu lang gewesen sei, reagiert und das Konzept gestrafft“, erläuterte Sikorski. So werde man in einigen Kategorien Videoeinspielungen mit der Preisübergabe zeigen. Ihr ist eine hohe mediale Reichweite der Veranstaltung wichtig, denn man wolle mit dem Deutschen Jazzpreis auch Zielgruppen außerhalb der Jazzszene ansprechen. „Wir wollen möglichst viele Menschen erreichen, deswegen ist auch wichtig, dass 3sat die Veranstaltung am 21. Mai im linearen TV-Programm ausstrahlt.
Zudem können Interessierte auf der Webseite des Deutschen Jazzpreises einen Livestream aufrufen. Von Radio Bremen wird die Verleihung auf bremenzwei.de, radiobremen.de und der Facebook-Seite von Bremen Zwei ebenfalls live gestreamt. Weitere öffentlich-rechtliche Kulturwellen wie SWR2, SR2, rbbKultur und BR-Klassik übernehmen den Livestream über ihre Webseiten oder Facebook-Seiten. Darüber hinaus zeichnet Radio Bremen den kompletten Konzertabend auf. Bereits am 14. Mai ab 22 Uhr läuft die Gala im Hörfunkprogramm von Bremen Zwei. Der Konzertabend wird außerdem in der 3sat Mediathek verfügbar sein.
In ihrem Statement unterstrich Sybille Kornitschky, dass die Ziele der jazzahead! und des Deutschen Jazzpreises „deckungsgleich“ seien. „Es ist gut, dass die beiden Institutionen nun zusammenkommen.“ Sie sprach von den gemeinsamen Zielen, etwa der Darstellung, Würdigung und Stärkung der vielfältigen Jazzszene in Deutschland. Zugleich wolle man die weltweite Strahlkraft von Jazz made in Germany ausbauen und die Kunstform Jazz bei den Menschen noch stärker verankern.
Zudem fand Kornitschky eine schöne Formulierung, die das Verhältnis von jazzahead! und Deutschem Jazzpreis auf den Punkt bringt: „Der Deutsche Jazzpreis ist nicht das Rahmenprogramm der jazzahead!, sondern umrandet die Messe und unser Konzertprogramm, bei dem wir am Samstagabend im neuen Zirkuszeit ein eigenen Abend mit Auftritten der Nominierten anbieten.“