"Die Kunst entsteht im Auge des Betrachters." (Picasso/Shakespeare)

Conny Bauer: Albert-Mangelsdorff-Preis 2023

Der Posaunist Conny Bauer wird von der Deutschen Jazzunion mit dem Albert-Mangelsdorff-Preis 2023 für sein Lebenswerk und seine Verdienste für den Jazz in Deutschland ausgezeichnet. Die Preisverleihung mit Konzert des Preisträgers findet am 5. November 2023 im Rahmen von und in Kooperation mit dem Jazzfest Berlin statt.

Das Gesamtprogramm des Jazzfest Berlin (2. bis 5. November 2023) wird am 13. September veröffentlicht, der Ticketvorverkauf startet am 20. September. Weitere Informationen: www.berlinerfestspiele.de/jazzfest.

Die Jurybegründung:

„Conny Bauer kann richtig laut spielen. Dass muss er auch, wenn er eines seiner unbegleiteten Solokonzerte in ungewöhnlichen Orten auf der Posaune gibt. 1988 im Kuppelgewölbe des Leipziger Völkerschlachtdenkmals zum Beispiel: Dieser Raum ist so weit und so hoch, dass Bauer sein Instrument mit aller Kraft blasen muss, um diesen mit Klang zu füllen. Doch aller Lautstärke und physischer Anstrengung zum Trotz verliert der 1943 in Halle an der Saale geborene Posaunist nie die Kontrolle. sondern setzt seine Posaune so bewusst in Szene, dass man im Publikum stets den Eindruck hat, einen „mehrfachen“ Bauer zu hören. Denn er spielt nicht nur sein Instrument, er (be)spielt auch seine Konzerträume, wenn er gezielt lange Hallzeiten und Echoeffekte in sein Solospiel integriert. Dafür nutzt er ein großes Spektrum an erweiterten Instrumentaltechniken (Mikrointervalle, Multiphonics oder Kombination von Stimme und Posaunenklang), gleichzeitig bleibt sein improvisatorischer Ansatz stets spielerisch und intuitiv – und oftmals auch auf das Melodische fokussiert, weil Bauer, der seine Musikerlaufbahn als Gitarrist und Sänger begonnen hatte, auch ein Virtuose des Sanglichen ist.

Seinen ersten Soloauftritt hatte Bauer 1974 bei der Jazzwerkstatt Peitz südöstlich von Berlin. Mit Anfang 30 gehörte er zu einer Gruppe ostdeutscher Improvisationsmusiker, die als eine der ersten in der DDR mit ihrem oftmals schroffen, ungemütlichen und schrillen Free-Jazz gleichermaßen irritierten wie für Aufsehen sorgten. Mit dabei waren neben Bauer unter anderem noch der Pianist Ulrich Gumpert, der Saxofonist Ernst-Ludwig Petrowsky und der Schlagzeuger Günter Baby Sommer. Zusammen waren sie erst das Quartett Synopsis, später nannten sie sich, humorig-augenzwinkernd, Zentralquartett. Dass dieses Quartett seinen eigenen Zugang in einen Free Jazz europäischer Prägung gefunden hatte, zeigte sich schon mit dem Album „Auf der Elbe schwimmt ein rosa Krokodil“ 1974, auf dem die vier auch auf deutsche Volkslieder als Fundus für ihre oftmals im Kollektiv improvisierte Musik zurückgegriffen haben.

Die kleine Besetzung blieb Bauers erste Wahl – eine seiner ersten eigenen Bands war FEZ und ein Quartett wie später Doppelmoppel mit seinem gleichfalls Posaune spielenden Bruder Johannes und den beiden Gitarristen Uwe Kropinski und Helmut „Joe“ Sachse. Mit Peter Kowald (Bass) und Baby Sommer (Drums) spielte er im Trio, dann gab es noch die Familienband Bauer 4 mit seinen Brüdern Johannes und Matthias (Bass) sowie seinem Sohn Louis Rastig (Klavier). Zudem komponierte er Musik für Film und Fernsehen und kooperierte auf der Bühne gerne auch interdisziplinär mit Tänzer/-innen, bildenden Künstler/-innen und Schauspieler/-innen.

Konrad „Conny“ Bauer ist eine Instanz in Sachen Jazz und improvisierte Musik – in der DDR vor der Friedlichen Revolution 1989 ebenso wie auch im wiedervereinigten Deutschland. Dabei hat er sich bis heute zwei wichtige Eigenschaften bewahrt, die ihn als Künstler aus- und kennzeichnen. Gleichgültig, ob alleine und solo oder als Mitglied einer Band: Zum einen geht er oftmals ohne Absprachen auf die Bühne und lässt seine Musik so spontan wie möglich vor dem Publikum entstehen. Zum anderen beweist er neben seiner Meisterschaft im Umgang mit geräuschhaften Klängen sein einmaliges Gespür für melodische Prozesse, aus dem heraus sich bis heute seine freie Improvisationskunst speist.

Statement des Preisträgers:

„Der Albert-Mangelsdorff-Preis ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen, mit der ein Jazzmusiker geehrt werden kann. Der Preis erinnert mich an viele gemeinsam gespielte Konzerte mit Albert Mangelsdorff. Bei dem Preisträgerkonzert am 05. November werde ich im Trio mit Hamid Drake und William Parker spielen. Als Verfechter der europäischen Improvisierten Musik kehre ich damit zu meinen Wurzeln, dem amerikanischen Jazz zurück.“

Über den Preisträger

Conny Bauer, geboren 1943 in Halle an der Saale, begann als Jugendlicher zu musizieren. Nach autodidaktischen Anfängen als Sänger und Gitarrist, studierte er in Dresden Posaune. Dort entdeckte er den Jazz für sich. Nach dem Studium zog er nach Berlin und spielte in verschiedenen Bands, wie der „Modern Soul Band“, „Synopsis“ oder „FEZ“. 1974 gab er sein erstes Solo-Konzert und fasziniert seitdem seine Zuhörer mit immer neuen Klängen, die er durch meisterhafte Blastechniken erzeugt. Der US-amerikanische Musikjournalist John Corbett prägte den Begriff der „Conradismen“ und bezeichnete Bauers Musik als „eine der radikalsten originalen Stimmen in der improvisierten Musik.“

Für seine Solo-Improvisationen wählt Bauer stets besondere Orte – den Zeus-Altar im Berliner Pergamonmuseum, den Magdeburger Dom oder das Leipziger Völkerschlachtdenkmal gaben seiner Musik schon ganz eigene Entfaltungsräume. Für die Schallplattenaufnahme „Flüchtiges Glück“ reiste er 1986 nach Köln und spielte im Rahmen des Projekts „Vor der Flut“ im Wasserspeicher Severin.

Bauer tourte durch Europa, die USA, Kanada, Südamerika und Japan und spielt mit international-renommierten Musikern wie Gianluigi Trovesi (sax, cl), Peter Brötzmann (sax) oder Han Bennink (dr). Er ist neben Ernst-Ludwig Petrowsky (sax), Günter „Baby“ Sommer (dr) und Uli Gumpert (p) Gründungsmitglied des legendären „Zentralquartetts“, dem er bis 2015 angehörte.

Für seine Musik wurde er bereits vielfach ausgezeichnet, 1986 mit dem Kunstpreis der DDR und 1994 mit dem Verdienstorden des Landes Berlin. 2004 erhielt Bauer insbesondere für sein Solo-Album „Hummelsummen“, das in der Kirche von Boswill / Schweiz aufgenommen wurde, den SWR-Jazzpreis. 2008 erlangte er einen Platz auf der Bestenliste des Preises der Deutschen Schallplattenkritik in der Kategorie „Grenzgänge“ für seine Solo-CD „Der gelbe Klang“.

Aktuell arbeitet Conny Bauer an einer neuen Veröffentlichung seiner Solo-Musik.

(Quelle: Deutsche Jazzunion — Albert-Mangelsdorff-Preis (deutsche-jazzunion.de)

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